In die Illegalität gedrängt?
Eigentlich bin ich ein Mensch, der sich an Gesetze hält. Natürlich ist ab und an mal eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder ähnliches drin oder als Fußgänger mißachtet man eine rote Ampel. Eine Gesellschaft, die sich eine freiheitliche Grundordnung gegeben hat, ahndet kleine Regelverstöße glücklicherweise eher großzügig und fragt danach, ob auch Gefahren für Leib und Leben oder Eigentum Dritter bestanden und setzt danach Strafen fest. Dinge, die nach Wunsch großer Lobbygruppen gerne mit Knast bestraft würden, mache ich eher selten.
Dummerweise zwingt das aktuelle Urheberrecht immer häufiger zu illegalen Handlungen. Als DVD-Player haben wir ein altes Powerbook: Leider kommt der (CSS taugliche und legale) DVD-Player von MacOS X 10.5 mit immer weniger Leih- und Kauf-DVDs klar (in unserer Lieblingsvideothek wird man glücklicherweise auf riskante DVDs hingewiesen) und wenn wir nicht gerade die Nachbarmädels zum netten Videoabend zwingen wollen, muss ich knacken, rippen, kopieren. Perfiderweise auch Kauf-DVDs, bei denen ein netter Aufkleber “Nur Original ist legal” prangt. Nach gängiger Auslegung des §95a UrhG stellt aber die Umgehung eines funktionierenden Kopierschutzes wenigstens eine Ordnungswidrigkeit dar:
(1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.
(2) 1Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. 2Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.
Wer den Absatz (3) überfliegt, weiss dann auch, dass bereits die Verbreitung der Information, wie man einen Kopierschutz umgeht, strafbar wird. Ich halte mich daher mit Details zurück, in denen ich im Detail erläutere, dass viele gängige Linux-Distributionen nach der Installation gängiger Videoplayer unterhalb von “/usr/share/doc” Scripte zur Nachinstallation der CSS-Cracker mitbringen. Die folgenden Beispiele für die Shell sind nicht zwingend illegal — ohne CSS-Knacker lassen sie sich nämlich auch mit den vielen unverschlüsselten DVDs verwenden, die Programm- oder Computerzeitschriften beiliegen. Beispielsweise wenn man DVDs archivieren oder unterwegs von Festplatte abspielen möchte.
Zunächst liest man das Inhaltsverzeichnis der DVD ein. Das liefert Infos über das “Main Feature”, Untertitel, Seitenverhältnisse und Sprachen:
dvdbackup -I -i /dev/dvd
Ein komplettes Backup der DVD entsteht mit:
dvdbackup -i /dev/dvd -o /pfad/zum/backup/ -M
Ein solches Backup (der ganze Ordner) lässt sich beispielsweise mit VLC sehr schön abspielen. Allerdings sind manche älteren Rechner mit der DVD-Datenrate überfordert (beim EeePC kommt las Problem der Festplattenplatz dazu) und VLC schaltet gerne zwischendurch Untertitel ab und Tonspuren um. Da ist es praktischer, gleich mit “mencoder” zu transkodieren, hier eine DVD deren “Main Feature” Chapter 21 ist, in zwei Durchgängen, erstens:
mencoder dvd://21 -oac mp3lame -ovc xvid -xvidencopts pass=1 -o /dev/null
Erst im zweiten Durchgang entsteht die AVI-Datei (eine ellenlange Zeile), hier mit Untertiteln aus Satz 1 (-sid 1):
mencoder dvd://21 -sid 1 -subfont-blur 6 -subfont-outline 1 -subfont-text-scale 3 -oac mp3lame -lameopts abr:br=192 -ovc xvid -xvidencopts pass=2:bitrate=2000:aspect=16/9 -o output.avi
Natürlich werden die so erstellten Dumps bei verschlüsselten DVDs von mir nach dem Konsum gelöscht. Und vor erneutem Konsum wieder erstellt. Denn dank §95a handelt es sich eben um keine legalen Privatkopien. Es ist schon Paradox: Da gibt man irgendwo zwischen 15 und 20€ für eine DVD aus und dann muss man zwanzig Minuten investieren, bis man die richtigen Paramter für alle Ripping-Tools herausgefunden hat, damit man die DVD gucken kann. Weil die Kopie nicht legal ist, löscht man sie — und beim nächsten Anschauen geht das Spiel von vorne los. Vor diesem Hintergrund kann ich eine gewisse Zunahme illegaler Kopien durchasu nachvollziehen: Otto Normalverbraucher stellt fest, dass er die erworbene DVD nichtschauen kann, er wirft Bittorrent an und saugt sich den eben gekauften Film. Hat er das Prozedere dreimal hinter sich, wird er auf den Kauf der Original-DVD verzichten und gleich saugen (nach dem Motto: Jetzt wird zurückverarscht).
Perfiderweise ist die Privatkopie von Freunden oft OK. Hat der Kumpel von nebenan versichert, die Simpsons-Komplettsammlung legal aus amerikanischem Sat-TV per digitalem Videorekorder aufgenommen zu haben (“Hab isch mit Zwei-Meter-Schüssel ausm US-Fernsehen!”), müssen Sie nicht groß weiter nachhaken: Nur bei offensichtlich illegalen Quellen (“Hab isch auf nem chinesischen Server einer Release-Group gefunden!”) ist bereits die Entgegennahme der Kopie illegal.
Und Knast? Nicht wirklich: Fünf Jahre drohen bei Verbreitung in gewerblichen Umfang. Selbst wenn ich Dumps an Freunde weitergebe — was ich nicht tue — ist dieser “gewerbliche Umfang” zu vermeiden. Hinsichtlich Schadensersatz sieht es für die Content-Industrie auch schlecht aus: Ein Schaden muss plausibel vorgerechnet werden.
Angst? Nicht wirklich: Angesichts immer noch im Umlauf befindlicher Un-CDs würde ich gerne vor Gericht einen Freibrief für diese Art der Umgehung unerwarteter Nebenwirkungen von Kopierschutzmechanismen bekommen — die Erreichung des Schutzziels sollte schließlich nicht massiv auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch durchschlagen. Und vielleicht präzisiert ein Gericht gleich die Definition der Wirksamkeit von Kopierschutzmaßnahmen — wie in Finnland längst der Fall.