Kein Beichtgeheimnis für Muslime?
Brigitte Zypries fordert die muslimischen Gemeinden auf, Radikale zu melden. Und Wolfgang Schäuble schließt sich an — mit dem Hinweis darauf, dass es im Gesetz stehe, Pläne von schweren Verbrechen zur Anzeige zu bringen (auf Tagesschau.de, via Fixmbr).
Da haben die beiden aber etwas schnell geschossen. Bei Geistlichen existiert nämlich etwas wie das Beichtgeheimnis — oder neutral formuliert: Zeugnisverweigerungsrecht für Seelsorger. Dieses Recht mit sanftem Druck auszuhebeln ist keine gute Idee: Prediger in gemäßigten Gemeinden, die bei einzelnen Mitgliedern radikale Tendenzen feststellen, tun am Besten, das Gespräch mit ihren Schäfchen zu suchen und so der Radikalisierung entgegenzuwirken. Damit dies funktioniert, müssen die Gläubigen aber ihrem Prediger vertrauen können — und in ihm nicht zuerst Schäubles V-Mann sehen. Ist dieses Vertrauen zerstört, wandern Gemeindemitglieder, die fanatisierbar sind, schnell in radikale Zirkel ab, deren Prediger garantiert keinen guten Draht zum Innenminister haben.
Der Schnellschuss von Schäuble und Zypries zeigt wieder einmal, dass “gut gemeint” in der Regel das Gegenteil von “gut gemacht” ist — niemand würde auf die Idee kommen, im Vorfeld eines Gipfels wie G8 von evangelischen wie katholischen Pfarrern zu verlangen, Gemeindeglieder zu melden, die Blockaden von Strassen planen oder sich beim Castor-Transport an die Gleise zu ketten. Natürlich ist gegen Gemeinden, die in ihrem Wesen nicht auf dem Boden der Verfassung stehen vorzugehen, Gläubigen das Vertrauen in ihren Prediger, Rabbiner, Pfarrer, Priester oder Pastor zu nehmen, ist dafür der falsche Weg.